Konkludentes Verhalten – Rechtslage in der Schweiz

Konkludentes Verhalten

Verträge unterliegen in der Schweiz der Vertragsfreiheit. Sie dürfen mündlich, schriftlich oder durch konkludentes (schlüssiges) Verhalten einer Person rechtsgültig geschlossen werden. Einige Verträge erfordern dennoch die Schriftform oder zumindest eine klare Absichtserklärung. Auch bei Minderjährigen reicht konkludentes Verhalten in der Regel nicht aus. Welche Verträge kommen durch konkludentes Verhalten zustande und welche erfordern eine schriftliche Beurkundung? Reicht es aus, einfach zu schweigen?

Was ist konkludentes Verhalten?

Unter konkludentem Verhalten versteht man eine stillschweigende Willenserklärung, die sich durch schlüssiges und nachvollziehbares Verhalten ergibt. Das lateinische concludere bedeutet zusammenfassen, logisch folgern oder einschliessen. Die handelnde Person erklärt so ihren Willen, ohne diesen auszusprechen oder schriftlich zu hinterlegen. Solche Handlungen sind rechtlich bindend, wenn sie eindeutig sind.

Beispiele

  • Ist ein Mietvertrag zeitlich befristet und überweist der Mieter trotzdem den Mietzins stillschweigend weiter, gilt das Mietverhältnis akzeptiert, wenn der Vermieter nicht widerspricht.
  • Auch im Arbeitsrecht gibt es konkludente Vertragsabschlüsse. Arbeit ein Mitarbeiter bei einem Unternehmen, ohne vorher einen Arbeitsvertrag abgeschlossen zu haben, gilt dieser als konkludent geschlossen, wenn der Arbeitgeber keinen Widerspruch einlegt.
  • Bereits mit dem Betreten des Supermarkts akzeptiert man stillschweigend, dass die Waren nicht kostenlos sind. Sobald Sie Produkte auf das Laufband an der Kasse legen, informieren Sie die Mitarbeiter stillschweigend, dass Sie diese Produkte käuflich erwerben und dafür bezahlen wollen.
  • Dasselbe schlüssige Verhalten zeigt ein Kunde, der an der Tankstelle sein Auto an die Zapfsäule fährt und Benzin tankt. Durch sein Verhalten beweist er, dass er die Tankfüllung bezahlen wird und bringt seine Kaufabsicht ohne mündlichen oder schriftlichen Vertrag zum Ausdruck.

Wichtig: Nicht bei jedem Vertrag reicht schlüssiges Verhalten für den rechtswirksamen Abschluss aus.

Wann reicht konkludentes Verhalten aus und wann nicht?

Schlüssiges Verhalten reicht dann aus, wenn der Gesetzgeber keine ausdrücklichen Erklärungen der handelnden Personen verlangt und keine Formvorschriften existieren. Mit Erklärung ist nicht zwingend eine schriftliche Erklärung gemeint, sondern eine klare und eindeutige Willensäusserung.

Häufig werden eindeutige Vereinbarungen verlangt, auch wenn eine mündliche oder konkludente ausreichend wäre. So wird in der Regel zwischen Anwalt und Mandant ein schriftlicher Vertrag geschlossen, obwohl dieser gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Formvorschriften gibt es in der Schweiz ohnehin sehr wenig.

Es besteht Vertragsfreiheit, sodass die Bestandteile unterschiedlicher Vertragsformen frei miteinander kombiniert werden dürfen. Soweit nichts anderes festgelegt ist, sind auch abweichende Regelungen von den rechtlichen Anforderungen frei vereinbar. Nur wenn aus Gründen der Rechtssicherheit oder zum Schutz der handelnden Personen eine klare Dokumentation der Vereinbarungen empfehlenswert ist, verlangt das Gesetz die Schriftform. 

Für welche Verträge reicht konkludentes Handeln aus?

Einfache und leicht nachvollziehbare Handlungen erfordern meist keine Schriftform. Ist das konkludente Verhalten teil eines komplexeren Vorgangs, kann die schriftliche Dokumentation erforderlich werden.

Ein Beispiel dafür ist das Mietverhältnis. Zahlt der neue Mieter den Mietzins und übergibt ihm der Vermieter daraufhin alle Schlüssel für die Wohnräume, ist das Mietverhältnis auch ohne schriftlichen Vertrag rechtswirksam vereinbart. Möchte eine der beiden Parteien jedoch das Mietverhältnis auflösen, gilt zwingend die Schriftform (Art. 266 OR).

Für diese Situationen ist konkludentes Handeln ausreichend:

  • Bestellung im Restaurant durch blosses Handheben
  • Einsteigen in öffentliche Verkehrsmittel
  • Behandlung beim Arzt oder im Krankenhaus
  • Ersteigern eines Objekts durch wortloses Hochhalten einer Bieterkarte
  • Mietzins wird trotz Ablauf der Befristung des Mietverhältnisses überwiesen, Vermieter widerspricht nicht

Wichtig: Bei Minderjährigen müssen auch bei Verträgen ohne Schriftform die Erziehungsberechtigten zustimmen. Durch blosses konkludentes Verhalten des Minderjährigen ist die Vereinbarung nicht rechtswirksam zustande gekommen.

Welche Verträge müssen schriftlich verfasst werden?

Einige komplexe Verträge dürfen in der Schweiz nicht durch konkludentes Handeln besiegelt werden. Das sind beispielsweise:

  • Grundstückskaufverträge (183 ff OR) müssen schriftlich abgefasst und notariell beglaubigt sein
  • Erbverträge erfordern die Schriftform und sind eigenhändig zu unterschreiben
  • Ein Kreditvertrag muss ausgedruckt und von Kreditnehmer und Kreditgeber unterzeichnet werden
  • Schenkungsversprechen und Schenkungsrücknahme erfordern die Schriftform
  • Abtretungen von Forderungen (164 ff OR) und bestimmte Bürgschaftserklärungen sind urkundlich zu dokumentieren
  • Eheverträge und Trennungsvereinbarungen erfordern ebenfalls die Schriftform mit öffentlicher Beurkundung
  • Kündigung eines Mietvertrages (266 OR)

Gilt Schweigen als konkludentes Handeln?

Nein, denn schlüssiges und nachvollziehbares Verhalten, aus dem eine eindeutige Absicht erkennbar wird, ist etwas anderes als Schweigen. Während Sie durch konkludentes Verhalten über Ihre Absicht informieren und stillschweigend die Bedingungen des Vertragspartners akzeptieren, erklären Sie mit Schweigen weder Zustimmung noch Ablehnung. Da hier keine Willenserklärung vorliegt, führt Schweigen auch nicht zum Vertragsabschluss.

Kann man von stillschweigenden Vereinbarungen zurücktreten?

Auch wenn Sie keinen schriftlichen oder mündlichen Vertrag abgeschlossen haben, kann es sein, dass Sie Ihre Absichten ändern. Angenommen Sie betreten ein Obst- und Gemüsegeschäft und packen stillschweigend ein Kilo Äpfel ein. Der Preis an der Kasse ist Ihnen jedoch zu hoch. Solange Sie die Äpfel noch nicht verzehrt oder angebissen haben, können Sie trotz klaren konkludenten Handelns die Ware zurückgeben.

Anders liegt der Fall, wenn Sie in einen Zug einsteigen. Damit signalisieren Sie, dass die Bedingungen und Kosten der Verkehrsbetriebe akzeptiert werden. Haben Sie vorher kein Ticket gelöst, machen Sie sich strafbar. Sie können dann nicht ohne Bezahlung von Ihrer stillschweigenden Willenserklärung zurücktreten, indem Sie an der nächsten Station aussteigen.

Fazit: Konkludentes Verhalten erfordert mehr als Schweigen

Mit konkludentem Verhalten können Sie Verträge und Vereinbarungen schliessen, ohne mündlich oder schriftlich tätig zu werden. Dennoch reicht blosses Schweigen nicht aus, denn konkludentes Handeln zeigt eine eindeutige Absicht und die Akzeptanz der Bedingungen des potenziellen Vertragspartners.

Wenn Sie sich unsicher sind oder einfach eine klare Rechtsgrundlage haben möchten, bitten Sie um einen schriftlichen Vertrag. Das empfiehlt sich beispielsweise beim Autokauf oder wenn Sie eine Wohnung mieten wollen. Beachten Sie auch, dass manche Vertragsabschlüsse zwar konkludent angebahnt, jedoch nur schriftlich aufgelöst werden dürfen.