Gesetzliche Erbfolge in der Schweiz

Erbfolge

Liegt weder ein Testament noch ein Erbvertrag vor, wird die Erbfolge durch das Gesetz geregelt. Der Nachlass wird in der Schweiz dann nach dem Parentelsystem verteilt. Die gesetzlichen Erben erhalten dabei unterschiedliche Pflichtteile. Gibt es keine Erben, geht das Vermögen an die Gemeinde. Erfahren Sie hier, wie eine gesetzliche Erbfolge aussieht und welche Erbteile ein Begünstigter zu erwarten hat.

Das Wichtigste in Kürze

  • Hat der Verstorbene weder Testament noch Erbvertrag hinterlassen, tritt die gesetzliche Erbfolge ein.
  • Gibt es mehrere Erben, wird das Vermögen nach dem Schweizer Erbrecht unter ihnen nach einer Erbquote aufgeteilt.
  • Eingetragene Lebenspartner sind Eheleuten in der gesetzlichen Erbfolge gleichgestellt. Konkubinatspartner unterliegen dagegen nicht der gesetzlichen Erbfolge und müssen bereits zu Lebzeiten per Schenkung oder testamentarischer Zuwendung berücksichtigt werden.
  • In der Schweiz wird die Erbfolge durch ein Parentelsystem vorgegeben. Es gibt drei Erblinien, Parentelen genannt. Erst wenn in der vorangehenden Parentel kein Erbe mehr am Leben ist, erbt die nächste Parentel.
  • Per Testament oder Erbvertrag kann ein Erblasser sein Vermögen nach seinen Wünschen verteilen. Gesetzliche Pflichtteile für nächste Angehörige lassen sich damit jedoch nicht aushebeln.
  • Pflichtteile können nur zu Lebzeiten des Erblassers per notariell beglaubigtem Erbverzichtsvertrag verhindert werden.

Wann greift die gesetzliche Erbfolge?

In der Schweiz gehen die Vermögenswerte eines Verstorbenen auf die Erbengemeinschaft über. Das gesetzliche Erbrecht greift, wenn der Erblasser keine Verfügung wie Testament oder Erbvertrag (Art. 468 ZGB) hinterlassen hat, der letzte Wille aufgrund von Formfehlern ungültig ist, bereits ein Erbverzicht oder eine Ausschlagung vorliegt, nur ein Teil des Erbes geregelt wurde oder der Erbe bereits verstorben ist.

In diesen Fällen greift die gesetzliche Erbfolge (Parentelsystem):

  • Allen voran erbt dann der überlebende Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner sowie Kinder, Enkel und Urenkel.
  • Leben keine Ehegatten oder Kinder mehr, erben die Eltern.
  • Sind diese ebenfalls nicht mehr am Leben, erben ihre Nachkommen.
  • Leben auch diese nicht mehr, kommt die nächste Generation an die Reihe: Grosseltern und/oder deren Nachkommen.
  • Falls auch diese Verwandtschaftsebene nicht mehr vorhanden ist, ist die gesetzliche Erbfolge ausgeschöpft. Die Erbschaft geht an den Kanton oder die Gemeinde (Art. 466 ZGB).

Was versteht man unter einem Pflichtteil?

Erblasser, die kein gutes Verhältnis zu ihren Nachkommen und Eltern, dem Ehepartner oder eingetragenen Partner haben und diese bei der Verteilung ihres Vermögens ausschliessen wollen, scheitern am Gesetzgeber. Denn um den engsten Angehörigen einen Mindestanteil am Vermögen zu sichern, wird ihnen gesetzlich ein Pflichtteil garantiert (Art. 471 ZGB). Was bleibt, ist die verfügbare Quote.

Auch per Testament lässt sich ein Pflichtteil nicht umgehen. Der Versuch, Pflichtteile derart auszuhebeln, macht das Testament zwar nicht sofort ungültig. Erst wenn die gesetzlichen Erben gerichtlich dagegen vorgehen, wird das Testament für ungültig erklärt.

Dennoch kann nur in einem öffentlich beurkundeten Erbverzichtsvertrag (Art. 495 ZGB) mit dem künftigen Erben ein wirksamer Verzicht auf dessen Pflichtanteil vereinbart werden. Einen solchen Vertrag schliessen Erben und Erblasser noch zu dessen Lebzeiten.

Was ist die verfügbare Quote?

Wer keine nahestehenden Angehörigen hat, die unter den Pflichtteilsschutz fallen, kann über sein Vermögen zu 100 % frei verfügen (Art. 470 ZGB). Andernfalls bleibt ihm nur die verfügbare Quote seines Erbes zur freien Verteilung. Das ist der Teil seines Vermögens, der über die Pflichtteile hinausgeht.

Was versteht man unter dem Parentelsystem?

Wer in welcher Reihenfolge zu den gesetzlichen Erben gehört, wird durch das Parentelsystem bestimmt. Mit diesen Erblinien werden die Angehörigen des Verstorbenen nach ihrer Abstammung und dem Grad der Verwandtschaft eingeteilt. Das Parentelsystem (parentes=Eltern) ist so aufgebaut, dass der lebende Erbe einer Parentel den Ausschluss der nachfolgenden Parentelen bewirkt.

  1. Parentel: Kinder, Enkel, Urenkel (Art. 457 ZGB)
  2. Parentel: Eltern und deren Nachkommen (Art. 458 ZGB)
  3. Parentel: Grosseltern mit deren Nachkommen (Art. 459 ZGB)

Beispiel zur 1. Parentel:

Der Erblasser hinterlässt zwei Töchter und deren zwei Kinder, zusätzlich einen Enkel seines bereits verstorbenen Sohnes. Es erben in diesem Fall von Gesetzes wegen seine beiden Töchter und der Enkel. Die beiden Kinder seiner Töchter gehen leer aus, da ihre Mütter zum Zeitpunkt des Erbgangs noch leben.

Innerhalb einer Parentel sind die Personen gleichberechtigt. Stirbt ein potenzieller Erbe, treten dessen Nachkommen an seine Stelle. Mit dem Stamm der Grosseltern endet die Staffelung (Art. 460 ZGB). Entferntere Angehörige gehören nicht mehr zu den gesetzlich erbberechtigten Personen.

Eine besondere Stellung nehmen Ehepartner oder eingetragene Partner ein (Art. 462 ZGB). Sie erhalten die Hälfte des Vermögens, wenn sie mit direkten Nachkommen zu teilen haben. Muss der überlebende Partner mit Nachkommen der Eltern teilen, stehen ihm ¾ der Erbschaft zu. Sind keine entsprechenden Angehörigen vorhanden, steht dem überlebenden Partner die ganze Erbschaft zu.

Was gilt es zu beachten, wenn es kein Testament gibt?

Aufgrund der gesetzlichen Erbfolge verzichtet mancher Erblasser auf ein Testament. Aufwand und Kosten scheinen vor dem Hintergrund der Pflichtteilsregelungen überflüssig. Tatsächlich sollte jeder Erblasser sorgfältig prüfen, ob nicht ein Testament etwaige Lücken auffüllen muss.

Konkubinat unterliegt nicht der gesetzlichen Erbfolge

Ein Beispiel ist die nicht eheliche Partnerschaft, das Konkubinat: Wer statt auf die Ehe auf eine Partnerschaft ohne Trauschein gebaut hat, erlebt im Rahmen der Erbteilung eine böse Überraschung: Konkubinatspartner zählen nicht zu den gesetzlichen Erben. Sie haben daher nach dem Tod des Partners bzw. der Partnerin keinen Anspruch auf die Erbschaft.

In einem Testament können Konkubinatspartner jedoch berücksichtigt werden, wenn auch nicht zu 100 %. Sofern Kinder, Eltern oder Ehegatten des Verstorbenen am Leben sind, schränken deren Pflichtteile die Erbschaft eines Konkubinatspartners ein.

Fehlendes Testament bei Immobilienbesitz

Auch wenn Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner eine gemeinsame Immobilie besitzen, empfiehlt sich ein Testament. Denn stirbt ein Partner, muss zuerst geprüft werden, welche Vermögenswerte dem Ehemann und welche der Ehefrau gehören. Entscheidend für die Aufteilung des Vermögens ist der Güterstand.

Wurde nichts Anderweitiges vereinbart, gilt die Errungenschaftsbeteiligung, die den Wertzuwachs in der Ehe umfasst. Stirbt ein Partner, gehört dem Überlebenden die Hälfte des Vermögens. Die andere Hälfte und das Vermögen vor Eheschliessung bzw. dessen Wertvermehrung (Eigengut) werden unter dem überlebenden Ehepartner und den Nachkommen hälftig geteilt. Der hinterbliebene Partner behält also insgesamt ¾ des Vermögens.

Vorläufiger Verzicht auf Pflichtteile

Was sich auf den ersten Blick positiv liest, kann den Hinterbliebenen die Immobilie kosten. Der Grund: Soll die Immobilie dem überlebenden Ehepartner erhalten bleiben, muss er das Viertel der Nachkommen auszahlen. Ein Umstand, der die finanzielle Situation einer Witwe oder eines Witwers oft übersteigt und zum Verkauf der Liegenschaft führen kann. Nur wenn die Erben auf Auszahlung ihrer Pflichtteile verzichten, droht keine Überschuldung des Hinterbliebenen.

Ein vorläufiger Verzicht wird von den Kindern häufig akzeptiert, da sie ohnehin später das Erbe antreten können. Allerdings sollte dabei eine mögliche Wiederverheiratung berücksichtig werden. Heiratet der hinterbliebene Partner wieder, reduziert sich der Erbteil der Kinder erheblich. Denn ein neuer Ehepartner ist ebenfalls erbberechtigt.

Diese nachteilige Situation kann mit einer Wiederverheiratungsklausel im Testament ausgeglichen werden, nach dem der zurückgestellte Pflichtteil den Kindern sofort ausbezahlt wird.

Recht auf Nutzniessung des überlebenden Ehepartners

Um die Situation zu entschärfen, kann der Erblasser dem hinterbliebenen Ehepartner die Nutzniessung am gesamten Erbteil der Nachkommen übertragen (Art. 473 ZGB). Diese Nutzniessung tritt an die Stelle des gesetzlichen Erbrechts des überlebenden Ehepartners. Heiratet der Hinterbliebene wieder, entfällt die Nutzniessung.

Fazit: Die gesetzliche Erbfolge schafft Transparenz und Sicherheit bei Erbfällen

Mit der gesetzlichen Erbfolge hat das Schweizer Erbrecht ein transparentes System geschaffen, nach dem Vermögen auf die Angehörigen verteilt werden. Erst wenn kein Erbe der vorangegangenen Parentel mehr lebt, kommt die nächste an die Reihe.

Komplexer ist die Erbfolge, wenn ein gesetzlicher Erbe zu Lebzeiten des Erblassers verstirbt und stattdessen seine Nachkommen erben. Auch im Falle einer Wiederverheiratung ändert sich die Erbfolge.

Tipp: Es empfiehlt sich grundsätzlich, den letzten Willen mit juristischer Hilfe aufzusetzen.