Pflichtteil und freie Quote im Erbrecht der Schweiz

Pflichtteil erben

Der Anspruch auf einen Pflichtteil des Erbes ist gesetzlich geregelt. Dadurch soll ein Schutz für Nachkommen und sonstige Erben geschaffen werden, damit diese nicht ungerecht behandelt werden oder grundlos gänzlich von einer Erbschaft ausgeschlossen werden können. Die Höhe des Pflichtteils hängt dabei von dem Verwandtschaftsgrad zum Erblasser ab und ist ebenfalls gesetzlich festgelegt.

Der Pflichtteil eines Erben darf übrigens nicht durch ein Testament oder ein anderes Dokument verwehrt werden. Damit ist eine Enterbung fast unmöglich.

Wer ist erbberechtigt?

Zunächst erben immer die direkten Nachkommen, also die Kinder und Enkel des Erblassers und falls vorhanden der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner. Sind keine direkten Nachkommen vorhanden, erben die Eltern und gegebenenfalls der Partner. Diese Verwandten haben grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil.

Sollte es die eben genannten näheren Verwandten nicht geben, treten Grosseltern, Geschwister und weiter entfernte Verwandte in die Erbfolge. Allerdings können diese durch ein Testament des Erblassers vom Nachlass ausgeschlossen werden und hätten in dem Fall keinen Anspruch auf den Pflichtteil. 

Pflichtteil Kinder

Sollte der Erblasser direkte Nachkommen haben, also Kinder, erben diese zu gleichen Teilen. Das bedeutet bei drei Kindern würde jedes Kind ein Drittel des Nachlasses bekommen. Ist ein lebender Ehepartner vorhanden, müssen sich die Kinder das Erbe mit ihm teilen. In diesem Fall bekommt der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses und die Kinder müssen die andere Hälfte zu gleichen Teilen untereinander aufgliedern.

Hat der Erblasser in seinem Testament verfügt, dass die Kinder bzw. der Ehegatte lediglich einen Anspruch auf den Pflichtteil haben, sieht die Erbschaft wie folgt aus:

  • Ohne lebenden Ehepartner: Anspruch auf 3/4 des Erbes
  • Mit lebendem Ehepartner: Anspruch auf 3/8 des Erbes

Auch von den 3/4 bzw. 3/8 steht jedem Kind der gleiche Anteil zu.

Pflichtteil Enkel

Wenn Kinder bereits verstorben sind, erben dessen Kinder (die Enkel) deren Teil in vollem Umfang und zu gleichen Teilen.

Beispiel:

Der Erblasser hinterlässt eine Ehefrau und drei Kinder, von denen eins verstorben ist, jedoch selbst zwei Kinder hat. In diesem Fall hätten die drei Kinder einen Anspruch auf den Pflichtteil in Höhe von jeweils 1/8 des Erbes. Da das eine Kind verstorben ist, geht dessen Anteil auf seine beiden Kinder, die Enkel des Erblassers, über. Diese müssen sich das 1/8 teilen und bekommen somit jeweils 1/16 vom Nachlass.

Pflichtteil Eltern

Auch die Eltern des Erblassers haben einen Anspruch auf den Nachlass und können nicht gänzlich enterbt werden. Sollte es keinen lebenden Ehegatten und keine direkten Nachkommen, also weder Kinder noch Enkel, geben, erben die beiden Eltern zu gleichen Teilen. Sollte ein Ehepartner leben, erbt dieser 3/4 des Nachlasses und den beiden Elternteilen steht das restliche Viertel zu.

Wenn der Erblasser die Eltern in seinem Testament auf den Pflichtteil gesetzt hat, erben sie wie folgt:

  • Ohne lebenden Ehepartner: Anspruch auf 1/2 der Erbschaft
  • Mit lebendem Ehepartner: Anspruch auf 1/4 der Erbschaft

Merke: Die Eltern können ebenso wenig, wie die Nachkommen und der Ehepartner von der Beziehung eines Pflichtteils ausgeschlossen werden.

Pflichtteil Geschwister

Ist ein Elternteil verstorben, geht sein Anspruch zu gleichen Teilen auf seine Kinder, also die Geschwister des Erblassers, über.

Beispiel:

Es gibt einen Ehepartner, jedoch keine Kinder. Ebenso ist noch die Mutter des Erblassers am Leben und die zwei Geschwister.

Wenn der Erblasser ein Testament verfasst und die Eltern auf den Pflichtteil gesetzt hat, würde die gesetzliche Erbaufteilung folgendermassen aussehen:

  • Der Ehepartner erbt: 3/4 des Nachlasses
  • Die Mutter erbt: 1/8 des Nachlasses
  • Die zwei Geschwister erben den Teil des Vaters, also jeweils: 1/16 des Nachlasses

Merke: Der Erblasser kann die Geschwister und alle weiter entfernten Verwandten vom Erbe ausschliessen – sie haben keinen gesetzlichen Anspruch auf einen Pflichtteil. In diesem Fall würde der Anspruch des verstorbenen Vaters an die noch lebende Mutter des Erblassers übergehen. Sie würde also die vollen 1/4 des Pflichtteils erben.

Was ist die Freie Quote?

Im Schweizer Recht gibt es eine sogenannte freie Quote. Diese ist gesetzlich festgelegt und richtet sich nach der Anzahl und dem Verwandtschaftsgrad der noch lebenden Erben. Sie umfasst den freien Teil der gesamten Erbschaft und kann nach Belieben des Erblassers mittels Testaments an jeden vermachtet werden. Oftmals werden hierfür Freunde, Stiftungen oder andere gemeinnützige Organisationen ausgewählt.

Erklärung

Die freie Quote berechnet sich aus der Differenz des gesamten Erbes und des gesetzlichen Pflichtteils sämtlicher Erben. Sollte der Erblasser einzelne oder sämtliche Verwandte und Ehepartner auf den blossen Bezug des jeweiligen Pflichtteils setzen, entsteht eine freie Quote über die frei verfügt werden kann. Gibt es kein Testament, wird der gesamte Nachlass in gesetzlicher Reihenfolge unter den Erben aufgeteilt und die freie Quote entfällt.

Beispiel:

Der Erblasser hat eine Erbschaft mit einem Gesamtwert in Höhe von 100.000 Franken hinterlassen. Er hat keinen lebenden Ehepartner und die drei Kinder sollen lediglich den Pflichtteil ausgezahlt bekommen.

Daraus ergibt sich folgende Rechnung:

  • 100.000 Franken Nachlass von denen die Kinder einen Anspruch auf 3/8 haben
  • Der Pflichtteil beträgt 37.500 Franken
  • Jedes Kind bekommt 12.500 Franken
  • Es bleibt eine freie Quote in Höhe von 62.500 Franken

Die 62.500 Franken kann der Erblasser per Testament nun an jede beliebige Person oder Organisation vermachten, ohne das seine Erben eine Einrede einreichen können.

Wie kann ich den Pflichtteil einklagen?

Wenn Sie ein Ehegatte, Kind oder Elternteil eines Erblassers sind, haben Sie einen gesetzlichen Anspruch auf einen Pflichtteil seines Nachlasses. Sollten Sie mittels Testaments von Ihrem Erbe ausgeschlossen worden sein, können Sie eine Klage vor dem zuständigen Nachlassgericht einreichen. So können sie das Testament anfechten (LINK) und zu Ihrem Pflichtteil kommen.

Die Kosten für das Verfahren tragen bei einem Erfolg Ihrerseits die übrigen Erben. Sollten sie vor Gericht verlieren, gehen sämtliche Verfahrenskosten zu Ihren Lasten.

Wie lässt sich auf den Pflichtteil verzichten?

Für einen Erben besteht auch die Möglichkeit, auf seinen Teil des Nachlasses zu verzichten. Dieser Vorgang bedarf eines Erbverzichtsvertrags, der zu Lebzeiten des Erblassers erstellt werden muss. Ein solcher Vertrag bedarf der Schriftform und muss notariell beurkundet werden, um vor Gericht gültig zu sein. Des Weiteren darf er nur mit Einverständnis des Erben verfasst werden.

Was passiert mit Schenkungen zu Lebzeiten?

Schenkungen sind ebenso wie Erbvorbezüge vollständig auf den Nachlass anzurechnen und müssen bei der Testamentsvollstreckung mittels einer Ausgleichszahlung an die übrigen Erben zurückgegeben werden.

Ebenso unterliegen Schenkungen der Schenkungssteuer, die vom Beschenkten zu erbringen ist.

Ist es möglich enterbt zu werden und keinen Pflichtteil zu erhalten?

Unter bestimmten Umständen ist es möglich, enterbt zu werden und seinen Anspruch auf den Pflichtteil des Nachlasses zu verlieren. Hierfür reicht jedoch ein fehlender Kontakt oder ein einfacher Streit zwischen den Familienmitgliedern nicht aus. Es muss eine grobe Vernachlässigung der Pflichten beziehungsweise ein schweres Verbrechen gegenüber dem Erblasser bewiesen werden können, um einen Erben seines Pflichtteils zu entheben.

Eine weitere Möglichkeit, einen potenziellen Erben zu entmachten, besteht, wenn dieser gravierende Schulden hat. In diesem Fall kann die Hälfte seines Pflichtteils direkt auf seine Kinder, also die Enkel des Erblassers, umgeschrieben werden. So werden die Nachkommen davor geschützt, aufgrund der Schulden ihrer Eltern kein Erbe zu bekommen. Hat die besagte verschuldete Partei jedoch keine eigenen Kinder, auf die ein Teil seines Erbes übergehen könnte, entfällt diese Möglichkeit und er erbt den vollen Pflichtteil trotz Schulden.

Fazit

Es ist gesetzlich geregelt, dass die Ehepartner, die Kinder sowie die Eltern einen Anspruch auf den Pflichtteil aus einem Nachlass haben. Sollte es kein Testament des Erblassers geben, wird die Erbschaft gesetzlich aufgeteilt. Wenn der Erblasser mittels Testaments bestimmte Parteien enterbt oder auf den Pflichtteil setzt, ergibt sich eine freie Quote, über die er nach Belieben verfügen kann. Sollten Sie unrechtmässig enterbt worden sein, macht es in jedem Fall Sinn, sich um eine Klage vor dem zuständigen Nachlassgericht zu bemühen, um seinen Anspruch auf einen Pflichtteil durchzusetzen.