Erbausschlagung / Erbverzicht in der Schweiz

Erbverzicht

Alternative zur Annahme eines Erbes kann die Erbausschlagung sein. Damit verzichten Sie auf Ihren Erbanspruch – vollständig. Ein Erbverzicht auf Schulden unter Annahme der Vermögenswerte ist nicht möglich. Die Erbausschlagung ist unwiderruflich und sollte wohlüberlegt sein. Sie kann u. a. seitens der Gläubiger angefochten werden. Weitere Möglichkeiten sind Erbverzicht und Erbauskauf. Was darunter zu verstehen ist und worauf Sie achten sollten, lesen Sie hier.

Was ist bei einer Erbausschlagung zu beachten?

Die Bekanntgabe eines Erbanspruchs sorgt nicht bei jedem Erben für Begeisterung. Wer befürchtet, dass der Verstorbene mehr Schulden als Vermögenswerte angehäuft hat, sieht mit der Erbschaft hohe finanzielle Verpflichtungen auf sich zukommen. Auch wer mit dem Erblasser kein gutes Verhältnis hatte, sieht der Erbschaft mit gemischten Gefühlen entgegen. Die Lösung kann eine Erbausschlagung nach Art 566 ZGB sein.

Informationen über die Vermögensverhältnisse

Um sich für oder gegen ein Erbe zu entscheiden, sollten Sie die finanzielle Situation des Verstorbenen kennen. Sind Ihnen die Vermögensverhältnisse nicht ausreichend bekannt, können Sie sich Informationen dazu beschaffen. Auskunft geben Ihnen Kontoauszüge, Steuerunterlagen oder einen Betreibungsregisterauszug, den Sie sich online bestellen können.

Reichen Ihnen diese Informationen nicht aus, um über den Erbanspruch zu entscheiden, können Sie die Aufnahme eines öffentlichen Inventars verlangen. Dann hat die zuständige Behörde ein Verzeichnis von Schulden und Vermögenswerten des Erblassers zu erstellen.

Nehmen Sie das Erbe auf Basis dieses öffentlichen Inventars an, übernehmen Sie nur die Schulden, die darin genannt sind. Ausnahme: Forderungen aus öffentlichem Recht, z. B. Steuerschulden, gehen dennoch auf den Erben über.

Ihre Anforderung des öffentlichen Inventars muss innerhalb eines Monats nach Kenntnis des Todes erfolgen. Die Entscheidung über Annahme oder Ausschlagung des Erbes treffen Sie erst nach Veröffentlichung des Inventars.

Zusätzlich können Sie direkt Auskünfte von Banken und Behörden anfordern. Dazu gibt es in den Kantonen BL, GL, ZG, BS und ZH das Formular „Bescheinigung für Auskunft“, mit dem Sie Informationen erhalten.

Ausschlagung, Liquidation oder öffentliches Inventar?

Liegen Ihnen alle Informationen vor, haben Sie unterschiedliche Möglichkeiten, sich zu entscheiden:

  • Sie schlagen das Erbe aus.
  • Sie verlangen die amtliche Liquidation. Laufende Geschäfte des Verstorbenen werden abgeschlossen und alle Guthaben bzw. Schulden aufgelöst. Die restlichen Vermögenswerte erhalten die Erbberechtigten.
  • Sie entscheiden sich für die Erbschaft unter öffentlichem Inventar. Dabei haften die Erben für Forderungen, die im öffentlichen Inventar genannt sind bzw. die sie vorbehaltlos annehmen. Die Erbengemeinschaft haftet solidarisch mit der Erbschaft und dem eigenen Vermögen.

Wurde die Zahlungsunfähigkeit des Verstorbenen amtlich festgestellt, wird die Ausschlagung seitens der Behörden ohne besondere Erklärung angenommen.

Wie kann ich das Erbe ausschlagen?

Wer auf den Erbanspruch verzichten möchte, sollte sich vorab über Frist, Form und Inhalt der Ausschlagungserklärung informieren. Wichtig: Die Erklärung ist unwiderruflich.

Zu beachten sind diese Merkmale:

  • Die Verweigerung der Erbschaftsannahme muss der Behörde innerhalb von drei Monaten nach dem Tod des Erblassers bzw. nach der amtlichen Mitteilung über die Erbverfügung mitgeteilt worden sein.
  • Falls die Errichtung eines öffentlichen Inventars gefordert wurde, beginnt die Frist erst mit der Bekanntgabe des fertiggestellten Inventars durch die Behörde.
  • Die dreimonatige Frist ist eine Verwirkungsfrist und kann weder unterbrochen noch geändert werden.
  • Um rechtswirksam zu sein, muss die Erklärung ohne Vorbehalte und Bedingungen formuliert sein.
  • Die Ausschlagungserklärung ist durch den Erben schriftlich am besten per eingeschriebenem Brief abzugeben. Es sei denn, eine mündliche Erklärung wird durch Notar oder Behörde protokolliert.
  • Zuständig ist in der Regel die Behörde am letzten Wohnsitz des Verstorbenen.

Die Folgen: Durch Ihre Ausschlagungserklärung werden Sie nicht Mitglied einer Erbengemeinschaft. Ihr Erbanteil geht an die nächsten gesetzlichen Erben.

Schlagen diese das Erbe ebenfalls aus bzw. gibt es keine weiteren Erben, tritt das Konkursamt in Aktion. Es liquidiert die Vermögenswerte und deckt zuerst die Schulden des Verstorbenen.

Kann das Ausschlagungsrecht ausgeschlossen werden?

Mancher Erblasser möchte das Recht auf Erbverzicht ausschliessen, um eine Weitergabe seines Erbes zu verhindern. Das ist allerdings nicht möglich. Es handelt sich um zwingendes Recht.

Das bedeutet, der Erblasser kann das Ausschlagungsrecht nicht per Verfügung ausschliessen. Auch Erben dürfen nicht im Vorhinein darauf verzichten. Falls Erblasser und Erbe entsprechende Vereinbarungen getroffen haben, sind diese nicht rechtswirksam.

Unzulässig sind auch Vereinbarungen zu Ansprüchen über einzelne Wertgegenstände. Sollen diese an eine bestimmte Person gehen, sollte diese Übergabe anderweitig geregelt werden.

Erbschaftsannahme ohne Annahmeerklärung

Wer sich nicht entscheiden kann oder die Frist schlicht versäumt, ist Erbe. Denn erfolgt innerhalb der Annahmefrist keine Mitteilung an die zuständige Behörde, gilt die Erbschaft als angenommen. Erben werden damit Eigentümer des Nachlasses und haften mit ihrem kompletten Vermögen für die Verbindlichkeiten des Verstorbenen.

Weitere Fälle, bei denen die Erbannahme automatisch erfolgt:

  • Rechtsgültiger Erbe bleiben Sie auch, wenn Sie die Erbschaft angenommen haben und dies später widerrufen. Der Grund: Eine Erklärung zum Erbe, ob Annahme oder Ausschlagung, ist unwiderruflich.
  • Auch wer sich nicht äussert, aber werthaltige Gegenstände der Erbschaft entwendet, kann das Erbe nicht mehr ausschlagen. Werthaltig können beispielsweise Bilder, Schmuck, Autos oder Wertpapiere sein. Durch die Entnahme des Erbgutes verlieren Sie die Ausschlagungsbefugnis. Das trifft nicht bei Gegenständen ohne Wert zu.
  • Ihr Recht auf Erbverzicht verlieren Sie ebenfalls, wenn Sie sich innerhalb der dreimonatigen Frist in die Erbangelegenheiten einmischen. Unter Einmischung versteht das Gesetz Aktivitäten, die sich nicht auf die blosse Verwaltung eines Geschäfts oder der Erbmasse beschränken.
  • Auch ein Erbberechtigter, der eine Forderung des Erblassers an ihn verschweigt, verwirkt sein Ausschlagungsrecht.

Was sind Erbverzicht und Erbauskauf zu Lebzeiten?

Wer von einem Erbverzicht spricht, meint meist eine Erbausschlagung. Dabei wird der Begriff „Erbverzicht“ auch für eine bereits frühzeitig geplante Ablehnung des Erbes verwendet. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Eltern ein Kind bereits zu Lebzeiten ausgezahlt oder finanziell unterstützt haben. Auch bei Schenkung einer Immobilie oder eines Autos werden häufig Erbverzichte vereinbart.

Über einen negativen Erbvertrag kann der Erblasser mit seinen gesetzlichen Erben einen vorzeitigen Verzicht auf Erbansprüche vereinbaren. Ein unentgeltlicher Erbverzicht ist verbindlich und kann auch dann nicht rückgängig gemacht werden, wenn sich der Erbe nach dem Tod des Erblassers anders entscheidet.

Erhält der verzichtende Erbberechtigte eine Gegenleistung des Erblassers zu dessen Lebzeiten oder bei Tod, handelt es sich um einen entgeltlichen Erbverzicht. Dieser wird Erbauskauf genannt und ist ebenfalls unumkehrbar.

Dies gilt auch:

  • …wenn der Verzichtende feststellt, dass die Gegenleistung weniger wert ist als der Pflichtteil.
  • …wenn der Erblasser seine Entscheidung zugunsten des Begünstigten revidieren will.

Tipp: Eine Erbverzichtserklärung zu Lebzeiten sollte sorgfältig bedacht werden. Denn sie wirkt sich auch auf die Nachkommen des Verzichtenden bzw. des Erbauskaufenden aus. Nur wenn die Erklärung nach Art. 495 ZGB ausdrücklich etwas anderes ausweist, muss sie sich nicht auf die Nachkommen auswirken.

Daher sollte ein solcher Erbverzichts- oder Erbauskaufsvertrag nicht ohne juristischen Beistand geschlossen werden.

Kann ich auf das Erbe vollständig verzichten?

Nach dem Schweizer Erbrecht in Art. 457 ff ZGB dürfen nahestehende Verwandte wie Ehegatten, eingetragene Lebenspartner und Kinder nicht vollständig enterbt werden. Sie sind pflichtteilsberechtigt.

Das gesetzliche Erbrecht gliedert Erbberechtigte in drei Ordnungen:

Pflichtteilsberechtigt sind nach Art. 471 ZGB Kinder, Eltern, Ehepartner und eingetragene Lebenspartner (nicht Geschwister und Grosseltern). Ihnen steht ein Pflichtteil zu, das der Erblasser nicht umgehen kann.

Was aber, wenn die gesetzlich bedachten Personen auf diesen Pflichtteil verzichten wollen? Das Schweizer Erbrecht kennt verschiedene Varianten, um auf den Pflichtteil zu verzichten.

Der/Die Pflichtteilsberechtigte kann…

  • …sein Erbe vollständig ausschlagen.
  • …auf einen Pflichtteil unter Vorbehalt des gesetzlichen Erbrechts verzichten.
  • …auf das gesetzliche Erbrecht unter Vorbehalt eines Pflichtteilsanspruchs verzichten.
  • …auf einen Teil des gesetzlichen Pflichtteils verzichten.

Jede Variante hat Vor- und Nachteile. Wer beabsichtigt, sein Erbe bzw. seinen Pflichtteil auszuschlagen, sollte sich juristisch beraten lassen.

Wann ist eine Erbausschlagung sinnvoll?

Ob Sie das Erbe antreten wollen oder darauf verzichten, hängt von vielen sachlichen und emotionalen Gründen ab. Das muss jeder für sich entscheiden. Sinnvoll ist eine Erbausschlagung sicherlich, wenn der Erblasser viele Schulden angehäuft hat. Weisen Kontoauszüge, Steuerbescheide oder das öffentliche Inventar mehr Verbindlichkeiten als Vermögenswerte auf, liegt eine Erbausschlagung nahe.

Auch wenn mit Streitigkeiten innerhalb der Erbengemeinschaft oder der Familie zu rechnen ist, denkt mancher Erbe über einen Verzicht nach. Vor allem Angehörige, die über ausreichende finanzielle Mittel verfügen und das Geld nicht zwingend benötigen, verzichten aus Rücksicht auf sich selbst in diesem Fall häufig auf das Erbe.

Erbverzicht zugunsten anderer Erben

Sinnvoll kann auch ein Erbverzicht zugunsten nachfolgender Angehöriger sein. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass sämtliche nächsten Erben die Erbschaft ausschlagen. Zudem muss mindestens einer der das Erbe ausschlagenden Personen den Antrag stellen, die nachfolgenden Erben wegen Annahme der Erbschaft zu befragen. Diese erhalten dann eine einmonatige Annahmefrist (Art. 575 ZGB) durch die Behörde.

Umgekehrt können auch Kinder das Erbe ausschlagen, wenn sie gemeinsam mit einem Elternteil erben. In diesem Fall wird der überlebende Ehegatte von der Behörde über die Ausschlagungserklärung der nächsten Erben informiert. Er kann deren Erbanteile nach Art. 574 ZGB übernehmen. Dafür bleibt ebenfalls ein Monat Bedenkzeit.

Lässt sich eine Erbausschlagung anfechten oder aufheben?

Nein, die vollzogene Erbausschlagung können Sie nicht zurücknehmen, denn sie ist unwiderruflich. Dritte können Ihren Erbverzicht jedoch rückgängig machen oder zumindest anfechten.

Das ist beispielsweise bei Ihren Gläubigern der Fall. Haben Sie Schulden und können Ihre Verbindlichkeiten nicht begleichen, können sich Ihre Gläubiger nach Art. 578 ZGB gegen eine Erbausschlagung wehren. Denn in diesem Fall fühlen sie sich um die Begleichung ihrer offenen Rechnungen gebracht.

Anfechtungsgründe können sein:

  • Überschuldung des ausschlagenden Erben zum Zeitpunkt des Erbverzichts
  • Ausschlagung einer Erbschaft mit Vermögenswerten durch den Schuldner
  • fehlende Sicherheiten der Schuldner zugunsten der Gläubiger
  • Erbverzicht erfolgt bewusst, um den Zugriff durch Gläubiger zu verhindern

Die Anfechtung durch die betroffenen Gläubiger hat innerhalb 6 Monaten seit Erbverzicht per Gericht zu erfolgen. Sofern die Klage erfolgreich ist, wird die Erbmasse (nicht nur der Teil des Beklagten) liquidiert.

Anfechten dürfen eine Erbausschlagung auch die Gläubiger des Erblassers. Vor allem dann, wenn die Erben bereits innerhalb der letzten 5 Jahre ausgleichspflichtige Zuwendungen nach Art. 626 ff ZGB erhalten haben.

Hat der verzichtende Erbe in böswilliger Absicht gehandelt, muss er für die Forderungen aufkommen, für die ein Liquidationserlös nach erfolgreicher Klage nicht ausreicht (Art. 573 ZGB).

Fazit: Eine Erbausschlagung will durchdacht sein

Wenn Sie eine Erbschaft innerhalb der dreimonatigen Frist ausschlagen, verzichten Sie vollständig auf die Rechte als Mitglied einer Erbengemeinschaft. Sie übernehmen mit dem Erbverzicht keinerlei Nachlasschulden, sollten aber auf die Anfechtbarkeit durch Gläubiger achten. Nicht nur die eigenen Gläubiger, sondern auch die des Erblassers können Ihre Erbausschlagung anfechten.

Alternativ bleibt Ihnen die Annahme der Erbschaft unter öffentlichem Inventar, ein Erbverzicht oder Erbauskauf. Sie können zudem zugunsten der nächsten Erben verzichten.

Vor- und Nachteile der Varianten erklärt Ihnen am besten ein Jurist.