Regelungen zum Betreuungsurlaub in der Schweiz

Betreuungsurlaub

Seit 01.07.2021 stärkt die Regierung in der Schweiz Eltern, die ein schwer krankes oder durch einen Unfall stark geschädigtes Kind haben.

Sie können unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf einen 14-wöchigen bezahlten Betreuungsurlaub erheben. Die Betreuungsentschädigung erfolgt über die Erwerbsersatzordnung (EO).

Welche Voraussetzungen hat der Gesetzgeber für Eltern und Kind definiert? Kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmenden während der Betreuung kündigen? Was ist eine kurzfristige Betreuungsabwesenheit?

Was macht den Betreuungsurlaub aus?

Schon am 20.12.2019 hatte das Schweizer Parlament das Bundesgesetz zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung beschlossen. Bestandteil des Massnahmenpakets ist u. a. der Betreuungsurlaub. Eltern, die ein schwer krankes oder verunfalltes Kind betreuen müssen, werden zukünftig über die Erwerbsersatzordnung entlastet. Damit sollen pflegende Angehörige auch gegenüber dem Arbeitgeber gestützt werden.

Die Unterstützungsleistungen werden dabei in zwei Stufen eingeführt:

  • In der ersten Stufe profitieren Arbeitnehmende von der Neuregelung kurzzeitiger Arbeitsabwesenheiten zur Angehörigenbetreuung. Diese sind bereits am 01.01.2021 in Kraft getreten.
  • Stufe 2 hat den Betreuungsurlaub im Fokus, der erst ab 07.2021 eingeführt wurde. Durch die spätere Einführung sollte die Umsetzung optimal vorbereitet werden.

Wie lang darf der Betreuungsurlaub sein?

Ab dem 01. Juli 2021 haben Erziehungsberechtigte, die ihre Erwerbstätigkeit wegen der Pflege eines Kindes unterbrechen oder einschränken müssen, Anspruch auf einen 14-wöchigen bezahlten Betreuungsurlaub (Art. 329 h OR). Die Arbeitsunterbrechung steht einem Elternteil komplett oder beiden Elternteilen aufgeteilt innerhalb einer Rahmenfrist von 18 Monaten zu. Diese Frist beginnt an dem Tag, an dem das erste Taggeld bezogen wird.

Die Inanspruchnahme kann tageweise oder am Stück erfolgen. Stehen beide Eltern in einem Arbeitsverhältnis, kann jeder Elternteil maximal einen 7-wöchigen Urlaub nehmen. Abweichende Inanspruchnahmen des Betreuungsurlaubs sind zulässig. Ein Elternteil kann beispielsweise 8 Wochen beanspruchen, der andere 6 Wochen, gleichzeitig oder unabhängig voneinander. Bei gleichzeitigem Betreuungsurlaub werden beiden Eltern am selben Tag Taggelder ausgezahlt.

Wie hoch ist das Taggeld?

Die Betreuungsentschädigung wird über die Erwerbsersatzordnung (EO) vergütet. Dessen Beitragssatz beträgt 0,5 %. Dieser wird von Arbeitnehmenden und Arbeitgebern zu gleichen Teilen übernommen. Die Kosten für den Betreuungsurlaub werden vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) auf 74 Millionen Franken jährlich geschätzt.

Die Betreuungsentschädigung beträgt 80 Prozent des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das ein Elternteil vor dem Beginn des Anspruchs erhalten hat. Sie wird per Taggeld ausgezahlt. Die maximale Höhe des Taggeldes beträgt CHF 196, d. h. monatlich CHF 7 350 (7 350 x 0,8./.30 Tage=196). Da der Anspruch auch an arbeitsfreien Tagen besteht, werden zu 5 Taggeldern zusätzlich 2 Taggelder gerechnet. Es besteht daher ein Gesamtanspruch auf 70 Betreuungsurlaubstage.

In Fällen, in denen der Betreuungsunterhalt aufgrund gesetzlicher Höchstgrenze nicht 80 % des Lohnes erreicht, besteht Lohnfortzahlungspflicht für den Arbeitgeber. Die Differenz von 20 % hat nach Art. 324b Abs. 2 OR das Unternehmen zu leisten.

Was ist eine kurzzeitige Betreuungsabwesenheit?

Neben der Einführung des Betreuungsurlaubs wurde bereits am 01. Januar 2021 die Möglichkeit einer kurzzeitig bezahlten Arbeitsabwesenheit eingeführt. Damit erhalten Arbeitnehmende einen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Urlaub, wenn sie wegen Krankheit oder Unfall ein Familienmitglied oder einen Lebenspartner/eine Lebenspartnerin pflegen müssen. Gleichzeitig erhält der Pflegende damit Zeit, sich um eine alternative Betreuung kümmern zu können.

Der bereits vor Längerem eingeführte Betreuungsanspruch gemäss Art. 36 Abs. 1 ArG für kranke oder verunfallte Kinder wird durch die kurzzeitige Betreuungsabwesenheit auf weitere Familienmitglieder und (eingetragene) Lebenspartner ausgeweitet.

Da es sich hierbei um eine kurzzeitige Arbeitsbefreiung handelt, beträgt der Urlaubsanspruch max. 3 Tage pro Anlass. Jährlich beträgt der Betreuungsanspruch insgesamt höchstens 10 Tage. Während dieser Zeit übernimmt der Arbeitgebende die Lohnfortzahlung.

Voraussetzungen für den Betreuungsurlaub

Mit dem neuen Betreuungsurlaub möchte der Gesetzgeber die Vereinbarkeit von Beruf und Familienleben fördern. Aber nicht jedes Elternteil kommt in den Genuss des Angebotes. Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen den Voraussetzungen, die das Kind erfüllen muss und die Bedingungen, die für Eltern gelten.

Wann haben Eltern Anspruch auf Betreuungsurlaub?

Wenn …

  • … sie ein schwer krankes Kind mit erhöhtem Betreuungsbedarf haben
  • … sie Arbeitnehmende oder Selbstständigerwerbende sind
  • … sie gegen Barlohn im familiären Unternehmen bzw. in einem Unternehmen des Partners/der Partnerin mitarbeiten
  • … sie als Arbeitnehmender keinen Lohn mehr beziehen, da der Anspruch auf Lohnfortzahlung und Taggelder ausgeschöpft ist
  • … ein Elternteil Taggelder der Arbeitslosenversicherung bezieht
  • … sie aufgrund Krankheit oder Unfall selbst arbeitsunfähig sind und Taggelder einer Sozial- oder Privatversicherung erhalten. Dabei muss sich die Taggeldberechnung auf früheres Einkommen beziehen.

Welche Voraussetzungen müssen rund um das Kind erfüllt sein?

Auch das Kind bzw. rund um das Kind müssen Bedingungen erfüllt sein, um den Anspruch auf Betreuungsurlaub nicht zu verlieren. Generell gilt, dass ein gesundheitlicher Rückfall des Kindes nach symptomfreier Zeit als neuer Fall zu werten ist. Damit verbindet sich auch ein neuer Anspruch auf Betreuungsurlaub.

Voraussetzung für den Anspruch auf Betreuungsurlaub ist, dass

  • … das Kind bei Erkrankung oder zum Unfallzeitpunkt das 18. Lebensjahr nicht vollendet hat
  • … beim Kind eine schwere gesundheitliche Beeinträchtigung mit ärztlicher Bescheinigung vorliegt. Darunter fällt eine gravierende Veränderung des körperlichen und psychischen Zustands, die einen schwer vorhersehbaren Heilungsverlauf hat. Es muss u. U. sogar mit dem Tod gerechnet werden. Daher gelten Knochenbrüche nicht als schwere gesundheitliche Beeinträchtigung, die zu einem Betreuungsurlaub berechtigt.
  • … erhöhter Betreuungsbedarf besteht und mindestens ein Elternteil seine Arbeitstätigkeit für die Kindesbetreuung unterbrechen muss

Wann entfällt der Anspruch auf Betreuungsurlaub?

Wird das Kind mit einer schweren Beeinträchtigung geboren, entfällt der Anspruch auf Betreuungsentschädigung. Stattdessen kann eine Mutterschaftsentschädigung gezahlt werden.

Wie muss Betreuungsurlaub beantragt werden?

Die Anmeldung des Betreuungsurlaubs muss grundsätzlich an die zuständige Ausgleichskasse gerichtet werden. Dies übernimmt bei Arbeitnehmenden der Arbeitgeber. Selbstständigerwerbende und Eltern, die Anspruch auf Taggelder einer anderen Versicherung haben, müssen eigenverantwortlich für die Anmeldung tätig werden.

Auch wenn beide Elternteile Betreuungsurlaub beanspruchen und dafür Entschädigung beziehen, ist stets nur eine Ausgleichskasse zuständig. Und zwar die Ausgleichskasse des Elternteils, der das erste Taggeld bezieht.

Erhält ein Elternteil auch während des Betreuungsurlaubs Lohn, wird die Entschädigung an den Arbeitgeber ausgezahlt. Wird während des Betreuungsurlaubs kein Einkommen vergütet, zahlt die Ausgleichskasse den Entschädigungsbetrag direkt an den Elternteil.

Welche Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis gibt es?

Viele Eltern möchten sich im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls optimal um ihr Kind kümmern und dafür den Betreuungsurlaub nutzen. Aber welche Auswirkungen hat das auf ihr Arbeitsverhältnis? Was muss der Arbeitgeber dulden und wann darf er den Arbeitsvertrag kündigen?

Gibt es Kündigungsschutz im Betreuungsurlaub?

Der Gesetzgeber hat den betreuenden Eltern nicht nur das Recht auf Betreuungsurlaub eingeräumt. Vielmehr stärkt er sie auch gegenüber dem Arbeitgeber. Denn Arbeitnehmenden darf nach Ablauf der Probezeit nicht gekündigt werden, wenn sie das Recht auf Betreuungsurlaub ausüben.

Die Sperrfrist hierfür umfasst längstens 6 Monate ab Beginn der Rahmenfrist von 18 Monaten oder der Zahlung des ersten Taggeldes. Eine während der Sperrfrist ausgesprochene Kündigung wäre nichtig.

Können Arbeitgeber den Ferienanspruch kürzen?

Die Abwesenheit im Rahmen eines Betreuungsurlaubs gilt nicht als Ferienzeit. Daher dürfen die Betreuungstage nicht mit dem Ferienanspruch verrechnet werden.

Fazit: Betreuungsurlaub unterstützt Eltern nur bei der Pflege von Kindern

Die Einführung des Betreuungsurlaubs bringt vielen Eltern beruflich die lang ersehnte Erleichterung. Denn ein schwer krankes oder verunfalltes Kind zu pflegen, lässt sich meist nur wenige Tage mit einem Arbeitsverhältnis vereinbaren. Damit der Arbeitgeber die Gelegenheit nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers nutzt, hat der Gesetzgeber eine Sperrfrist eingeführt, innerhalb derer nicht gekündigt werden darf. Auch das Tagesgeld hilft in schwierigen Zeiten.

Allerdings wünscht sich mancher Pflegende, dass der Betreuungsurlaub auch für andere Pflegebedürftige wie Eltern, Geschwister oder Partner genutzt werden könnte. Hier bleibt nur die kurzfristige bezahlte Betreuungsabwesenheit als Alternative.